Gelingt dem spanischen Topklub Real Madrid der dritte Titelgewinn in Serie oder kann sich der FC Liverpool mit Starcoach Jürgen Klopp die europäische Vereinskrone aufsetzen? Vor dem großen Finale stehen die unterschiedlichen Taktiken der beiden Finalisten auf dem Prüfstand. Welche Spieler setzen die entscheidenden Akzente? In welcher taktischen Formation treten die beiden Mannschaften an? Der SPORTBUZZER gibt einen Überblick.



Real Madrids Taktik: Anachronismus im modernen Fußball
Von Sebastian Harfst
Egal, ob man Cristiano Ronaldo mag oder nicht, er ist der Fixpunkt im Spiel Real Madrids. Auf seine offensive Klasse ist das Spiel der „Königlichen“ ausgelegt. Anders als in früheren Zeiten agiert er dabei nicht mehr vorrangig als Außenstürmer, der nach raumgreifenden Sprints und Dribblings in die Mitte zieht. Der mittlerweile 33 Jahre alte Angreifer gibt auch im Vereinstrikot – in Portugals Nationaltrikot macht er das schon länger – oft den Mittelstürmer, der auf Vorlagen im Strafraum spekuliert und diese effizient verwertet. 44 Tore in 43 Pflichtspielen in dieser Saison sprechen eine eindeutige Sprache. Bei seinem unvergessenen Fallrückzieher im Champions-League-Viertelfinale gegen Juventus Turin war es Rechtsverteidiger Dani Carvajal, der „CR7“ mit einer Flanke versorgte.
Die Kehrseite: Ronaldo ist derart fixiert auf den Glanz in der Offensive, dass er die Arbeit im Defensivverbund den Kollegen überlässt und höchstens halbherzig Passwege der gegnerischen Innenverteidiger zustellt. Eigentlich ein Anachronismus im modernen Fußball – den sich Real-Coach Zinédine Zidane in seiner bevorzugten 4-3-3-Formation aber auch bei zwei weiteren Akteuren gönnt. So hinterlässt der auf seine Vorstöße fixierte Linksverteidiger Marcelo große Lücken in der Verteidigung. Auch der auf beiden Flügeln und zentral einsetzbare Isco denkt im Zweifel schon an sein nächstes Dribbling, als in der Defensive Lücken zu schließen.
Titeljäger Toni Kroos: Alle Trophäen des Weltmeisters
Für Stabilität und Balance sorgen die Mittelfeldlenker Toni Kroos und Luka Modric. Beide Feintechniker stellen defensiv Räume zu und leiten Reals Angriffe ein. Modric sucht dabei häufiger das Eins-gegen-eins als Kroos, der sich in seinen Madrider Jahren zum genialsten Ballschieber der Welt entwickelt hat. Seine kurzen Pässe sorgen für den notwendigen Kontrapunkt in Reals von großen Offensiv-Egos geprägtem Spiel, sie bringen die Grundordnung zurück und bereiten den Boden für den nächsten Sturmlauf.
Liverpools Taktik: Heavy Metal - made in Germany
Von Sönke Gorgos
Der Fußball, den Jürgen Klopp beim FC Liverpool spielen lässt, wird in England ehrfürchtig "Heavy Metal Football" genannt. Klopps Ersatzreligion und taktisches Allheilmittel ist ein ungehemmtes Gegenpressing, eine spieltaktische Variation, die Klopp bei Borussia Dortmund etablierte und die ihn bis heute prägt.
Im Gegenpressing, von Liverpool meist in einem 4-3-3 oder einem dynamischen 4-5-1 vorgetragen, sind die Offensivstars Roberto Firmino, Mohamed Salah und Sadio Mané gleichsam die erste Abwehrreihe. Oberstes Ziel des gesamten Teams sind die sofortige Rückeroberung des Spielgeräts bei einem Ballverlust und der Torabschluss in schnellstmöglichem Tempo, was Klopps Fußball so unterhaltsam und gelegentlich auch haarsträubend macht wie eine Achterbahnfahrt auf der Kirmes. Gegenspieler sollen bereits bei der Ballannahme gestört werden, selbst tief in der Hälfte des Kontrahenten. Technische Brillianz ist dafür ebenso vonnöten wie rasende Geschwindigkeit.
Final-Fluch: Jürgen Klopps Endspielniederlagen
Eine Schlüsselrolle kommt Salah zu, der als variabler Angreifer hinter Firmino vor allem über die rechte Seite immer wieder gefährliche Aktionen hat.Der Nachteil: Weil im Gegenpressing, das Klopp gegen nominell stärkere und dominantere Gegner einen Vorteil bringt, sämtliche Feldspieler angewiesen sind, Druck auf den ballführenden Gegenspieler auszuführen, ist Liverpools Defensive bei einem gelungenen Spielaufbau des Gegners entsprechend fragil.Diesem Malus versucht Klopp mit einem starken defensiven Mittelfeld zu begegnen. Im Laufe der Saison teilten sich der Deutsche Emre Can, Kapitän Jordan Henderson und Routinier James Milner dort die Aufgaben.