Die Frage muss erlaubt sein: Was macht eigentlich Mesut Özil? Exakt zwei Jahre ist es her, dass der Weltmeister nach der enttäuschenden WM 2018 aus dem DFB-Team zurücktrat - und mit seinen Aussagen nicht nur den damaligen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel scharf angriff, sondern auch mit dem Deutschen Fußball-Bund insgesamt und den Medien abrechnete. 731 Tage später ist Grindel längst nicht mehr im Amt, Özil im DFB-Team Geschichte - und der 31-Jährige beim FC Arsenal sportlich regelrecht abgestürzt.
Seit Wiederbeginn der Premier League hat Özil nicht ein Spiel gemacht. Erst war er gar nicht im Kader, dann versauerte er zwei Spiele lang auf der Bank - seit Anfang Juli schließlich fehlt er wegen Rückenproblemen. Der einstige Weltstar ist bei den Gunners vom Dreh- und Angelpunkt des Spiels zum teuren Nebendarsteller geworden. Seine Bilanz seit seinem DFB-Rücktritt: 58 Spiele, sieben Tore, sechs Vorlagen. 52 Mal kam er nicht zum Einsatz. Für Özil kein Vergleich zu früheren Zeiten. Ein Rückblick auf die vergangenen zwei Jahre.
22. Juli 2018:
Mesut Özil kehrt dem DFB-Team zornig den Rücken. In einem mehrteiligen Rücktrittschreiben, das er über die sozialen Medien verbreitet, greift er den DFB scharf an. "Mit schwerem Herzen und nach langer Überlegung werde ich wegen der jüngsten Ereignisse nicht mehr für Deutschland auf internationaler Ebene spielen, so lange ich dieses Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit verspüre". Vor allem der damalige DFB-Präsident Reinhard Grindel bekommt sein Fett weg. "Ich werde nicht länger als Sündenbock dienen für seine Inkompetenz und seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen." Außerdem wirft er "bestimmten deutschen Zeitungen" rechte Propaganda vor. Vor der WM 2018, die für Deutschland mit dem Aus in der Vorrunde endete, traf er gemeinsam mit Ilkay Gündogan den türkischen Machthaber Recep Tayyip Erdogan und provozierte damit einen Eklat in Deutschland. Der Vorfall überschattet die deutsche WM-Vorbereitung. Grindel gesteht im August Fehler im Umgang mit Özil ein. Er habe sich nach den Anfeindungen "an der einen oder anderen Stelle deutlicher positionieren und vor Mesut Özil stellen müssen".



25. August 2018:
Beim Spiel seines FC Arsenal gegen West Ham (3:1) fehlt Özil am dritten Spieltag der Premier League im Kader der Gunners. Laut ESPN war es im Training vor der Partie zu einem Eklat mit Trainer Unai Emery gekommen, weil der den Weltmeister nur auf die Bank setzen wollte. Von "Streit und Geschrei" war die Rede. Emery dementiert ein entsprechendes Zerwürfnis zwar, spätestens mit dem Jahreswechsel ist Özil seinen Platz als Stütze im Arsenal-Kader jedoch los. Er kommt weiter auf Einsätze, auch in der Startelf - doch unumstritten ist der absolute Spitzenverdiener (rund 350.000 Euro pro Woche) nicht mehr.
6. September 2018:
Nach dem 0:0 der deutschen Nationalmannschaft gegen Weltmeister Frankreich kritisiert Bundestrainer Joachim Löw Özil scharf. Er wisse nicht, wann er den Draht zu seinem einstigen Lieblingsschüler verloren habe, sagt Löw. "Ich hätte mir gewünscht, dass er mich persönlich anruft. Menschlich bin ich enttäuscht." Löw war über den Rücktritt seines Spielmachers einzig von dessen Berater und telefonisch informiert worden. Im Dezember 2019 unterstreicht der Bundestrainer nochmals, dass Özil sich seit dem Rücktritt nicht mehr bei ihm gemeldet habe.
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7. Juni 2019:
Özil heiratet in Istanbul seine langjährige Freundin Amine Gülse. Trauzeuge: der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan - der ehemalige Nationalspieler wird dafür in seiner Heimat Deutschand kritisiert. Kurz vor den Feierlichkeiten wurde bekannt, dass sich das Paar anlässlich seiner Trauung für kranke Kinder, Hilfsbedürftige in der Türkei sowie Flüchtlinge in Syrien und der Türkei einsetzt - und dafür Freunde, Familie und Fans mit ins Boot holt.
25. Juli 2019:
Özil und sein Teamkollege Sead Kolasinac werden in London Opfer eines Raubüberfalls. Sie entkommen nur knapp. Nach einem Bericht der Daily Mail stellte Özil nach der Verfolgungsjagd sein Auto auf der Straße ab und flüchtete in ein ihm bekanntes türkisches Restaurant. Der bosnische Nationalspieler Kolasinac habe unterdessen versucht, die Täter beherzt abzuwehren. Mitarbeiter des Restaurants sollen die Motorradfahrer schließlich verjagt haben. Wie Videoaufnahmen zeigten, wehrte Kolasinac dabei mit bloßen Händen die Täter ab.
22. Dezember 2019:
Özils einstiger Teamkollege Mikel Arteta wird neuer Trainer des FC Arsenal - drei Wochen nach der Entlassung des von Özil ungeliebten Unai Emery. Özil, auch in den letzten Wochen Emerys wieder Stammspieler, profitiert zunächst vom Trainerwechsel: In den ersten zehn Spielen unter Arteta in der Premier League spielt er immer von Beginn an. Darunter sind vier Siege, fünf Remis und nur eine Niederlage. Özils Bilanz in dieser Zeit: ein Tor, eine Vorlage. Özil lobt: Arteta bringe die "alten Arsenal-Tugenden" wie Ballbesitz und Spielkontrolle zurück: "An diesen Dingen arbeitet er mit uns und man kann es sehen: Jeder lächelt, lacht und genießt seine Zeit aktuell - und das macht uns nun erfolgreich".



15. Januar 2020:
Özil tritt Gerüchten entgegen, wonach er Arsenal vor dem Ende seiner Vertragslaufzeit im Sommer 2021 verlassen könnte. "Ich bin glücklich, dass ich nach der Saison noch ein weiteres Jahr habe", sagte er gegenüber beIN Sports. In den vorangegangenen Monaten hatte es immer wieder Meldungen gegeben, wonach Arsenal den größten Gehaltsposten in seinem Kader loswerden wolle. Interesse an einem Abschied soll Özil allerdings nicht haben. Bei den Gunners habe er eine "schwierige Zeit" hinter sich, "vor allem auch mit dem alten Trainer" Unai Emery. Nun aber freue er sich auf die Arbeit unter Arteta.
7. März 2020:
Özil absolviert beim 1:0 gegen West Ham United sein bisher letztes Spiel für den FC Arsenal - und gibt eine Vorlage. Anschließend wird die Saison wegen der Coronavirus-Pandemie abgebrochen. Am 17. Juni geht es weiter - ohne Özil, der gegen ManCity (0:2) gar nicht im Kader steht. Arteta sagt lediglich, Özil habe "aus taktischen Gründen" gefehlt". Anschließend sitzt er gegen Brighton und Southampton nur auf der Bank - gegen das Hasenhüttl-Team mit einem roten Sonnenschirm.
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Juli 2020:
Arsenal-Trainer Mikel Arteta bleibt im Bezug auf Özil und dessen Abwesenheit vage. "Im Moment ist die Situation für ihn unverändert", sagte der Trainer in der vergangenen Woche. Diese Aussage wiederholte der Spanier zuletzt immer wieder, wenn er nach dem Deutschen gefragt wurde. "Ich setze auf Spieler, die sich unserer Kultur zu 100 Prozent verpflichtet fühlen. Und auf Spieler, die jeden Tag dem gerecht werden, was wir von ihnen erwarten", sagte er, ohne Namen zu nennen.
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