Leipzig. „Ich tue mich immer schwer mit Abschieden“, sagt Philipp Weber. Dennoch steht am Mittwoch einer an, und was für einer. Nach sieben Jahren wird der 28-Jährige zum letzten Mal in einem Heimspiel für den SC DHfK Leipzig auflaufen (Anwurf 19 Uhr). Die Partie, dieser Abend, sie spuken ihm seit Tagen im Kopf herum. „Ich habe ein bisschen Schiss“, gesteht er. Am Gegner liegt das nicht. Die HSG Nordhorn-Lingen ist Tabellen-18. und bereits abgestiegen. „Das wird kein schöner Moment“, weiß Weber. „Aber ich habe es mir ja selbst ausgesucht.“
Sechs ganze Tage Urlaub
Der Spielmacher der Grün-Weißen wechselt nach Saisonende zum SC Magdeburg, spielt dort künftig im Europapokal und kehrt zu seinen Wurzeln zurück. Denn nach ersten Handball-Gehversuchen bei Eintracht Glinde wechselte er zu den Bördestädtern. Hier feierte der Rechtshänder auch sein Profidebüt. Zu einem der aktuell Großen im deutschen Handball, zum Lenker eines Teams und Leistungsträger in der Nationalmannschaft wurde Weber erst in Leipzig. Und es ist ihm durchaus bewusst. Mit dem DHB-Team wird „Pipo“, wie sie ihn auf dem Parkett nennen, zu den Olympischen Spielen nach Tokio reisen. „Wenn ich eine Medaille mitbringe, zählt die natürlich für den SC DHfK.“


Bis es soweit sein könnte, werden noch ein paar Wochen ins Land gehen. Webers Programm bis dahin ist straff. Nach der Partie gegen Nordhorn steht am Sonntag noch der letzte Auswärtsaufritt in Hannover auf dem Plan. Frei hat er dann bis zum 3. Juli, also lediglich sechs Tage. „Am Montag gebe ich meine Wohnung zurück, mache dann eine kleine Wohnmobiltour mit meinem Hund und einem Kumpel.“ Am 4. Juli werden er und die anderen Nationalspieler von Bundestrainer Alfred Gislason zum Auftakt der Olympia-Vorbereitung in Herzogenaurach erwartet.
In der Fußball-Bundesliga war es in diesem Jahr vor den letzten Spieltagen durchaus üblich, den Akteuren, die bei der unmittelbar anschließenden EM zum Einsatz kommen würden, schon vorab Urlaub zu ermöglichen. So genehmigte beispielsweise Julian Nagelsmann RB Leipzigs ungarischem Keeper Peter Gulacsi schon vor der letzten Partie die Abreise. Für Philipp Weber wäre das keine Option. „Es ist noch Reserve im Tank. Ich bin noch nicht auf Null“, meint er mit einem Lächeln und ergänzt dann ernst. „Ich möchte das auch gar nicht. Ich sehe mich in der Pflicht, für das Team da zu sein, etwas zurückzugeben, bis zum Schluss. So wie das Team auch mich immer unterstützt hat.“
Reichlich Tickets für Freunde
Dass er noch einmal zum Club zurückkehrt, so wie 2017 nach einem Zwischenjahr bei der HSG Wetzlar, ist für Weber kein Thema. „Ich habe zwar gelernt, niemals nie zu sagen. Aber ich bin glücklich mit meiner Entscheidung. Ein weiteres Comeback beim SC DHfK sehe ich deshalb momentan nicht.“

Damit er seinen Abschied am Mittwoch nicht alleine feiern muss, werden seine besten Freunde in der Halle sein. „Ich habe reichlich Karten gekauft.“ Karten für einen hoch-emotionalen Abend. „Ich stelle mir da im Vorfeld viele Fragen. Werde ich es schaffen, die Tränen zurückzuhalten? Was wird passieren?“
Klar ist: Das beim SC DHfK übliche große Adieu wird direkt nach dem Abpfiff auf dem Spielfeld steigen. „Das ist in diesem Jahr wegen Corona nicht anders möglich“, sagt Geschäftsführer Karsten Günther. „Die Fans sollten also einfach auf ihren Plätzen bleiben.“ Neben Weber gilt es auch Niclas Pieczkowski, Martin Larsen und dem langjährigen Abwehrchef Bastian Roscheck „Tschüss“ zu sagen. Sie alle werden den Club verlassen. „Sie haben viele Jahre Entscheidendes für diesen Verein geleistet, haben die Mannschaft geprägt“, sagt Günther. Man spürt bei seinen Worten: Auch auf ihn wartet zumindest kein leichter Abend.