Auch der letzte deutsche Gruppengegner ist raus! Marokko hat bei der WM in Katar für die erste Sensation der K.o.-Runde gesorgt und Spanien im Achtelfinale aus dem Turnier gekegelt. Im Elfmeterschießen im Education City Stadium in Al-Rayyan behielten die Nordafrikaner nach 120 intensiven, aber nur selten hochklassigen Minuten das bessere Ende für sich, gewannen dank Torwart Bono mit 3:0 (0:0) i.E. und warfen die hoch gehandelten Iberer aus dem Wettbewerb. Die Spanier hatten deutlich mehr Ballbesitz, offenbarten aber über die gesamte Spieldauer große Probleme im Herausspielen von Chancen. Marokko verlegte sich auf das Konterspiel und eine solide Defensive, an der sich die Iberer 120 Minuten lang die Zähne ausbissen. Im Elfer-Shootout zeigten sich die Spanier von ihrer schwächsten Seite, unter anderem verschoss Welt- und Europameister Sergio Busquets. Keiner der spanischen Elfer ging ins Tor. Marokko, für das der Ex-Dortmunder Achraf Hakimi den entscheidenden Schuss verwandelte, trifft nun am Samstag (16 Uhr) auf Portugal, das die Schweiz im letzten Achtelfinale mit 6:1 deklassierte.
Marokkos Trainer Walid Regragui wechselte zum 2:1-Sieg gegen Kanada im letzten Gruppenspiel auf einer Position, brachte Selim Amallah für den Ex-Paderborner Abdelhamid Sabiri. Sein spanischer Kollege Luis Enrique rotierte nach der großen Rotation bei der Pleite gegen Japan (1:2) zurück zu seiner Stammformation. Marcos Llorente kam dagegen neu in die erste Elf, der Atlético-Profi besetzte die rechte Abwehrseite - eine Problemposition der Iberer, auf der in den vorherigen Spielen Cesar Azpilicueta und Dani Carvajal ihr Glück versuchen durften. Teenager Gavi wurde mit seinem Einsatz zum jüngsten Startelf-Spieler in der K.o.-Runde einer WM seit Pelé 1958.
Tolle Kulisse, wenig Möglichkeiten
Eine intensive Atmosphäre war zwischen den beiden Nachbarländern garantiert, zumal Marokkos Fans im bisherigen Turnierverlauf für beste Stimmung gesorgt hatten - und das Spiel trug seinen Teil bei: Zwar gab es im ersten Durchgang kaum echte Torchancen, doch die Marokkaner präsentierten sich gegen den Weltmeister von 2010 auf Augenhöhe und setzte immer wieder auf intensiv vorgetragene Konter, die die eigenen Anhänger in Hochstimmung versetzten. Spanien dagegen dominierte das Geschehen mit viel Ballbesitz, brachte Marokkos Torwart Bono vom FC Sevilla allerdings kaum ins Schwitzen. In der 25. Minute konnte er einen Schuss von Gavi an die Latte lenken, ehe Sofyan Amrabat den Nachschuss von Ferran Torres mit letzter Kraft klären konnte - allerdings stand Torres im Abseits. Marco Asensio traf kurz darauf das marokkanische Außennetz (27.). Eine echte Druckphase der Iberer gab es jedoch nicht.
Gegen Ende der ersten Hälfte wurden die Atlas-Löwen wieder mutiger - besonders nach schnellen Ballgewinnen Marokkos wurde es für Spanien immer wieder ungemütlich. Eine kleine Offensive gab es unmittelbar vor der Pause, nachdem Bayerns Noussair Mazraoui Spaniens Keeper Unai Simon mit einem Distanzschuss prüfte (33.). Abwehrchef Nayef Aguerd köpfte eine Flanke des starken Soufian Boufal über das Tor (43.), ehe Aymeric Laporte Sekunden später eine Flanke von Hakim Ziyech in höchster Not vor Mittelstürmer Youssef En-Nesyri klären konnte. Das Remis zur Pause hatten sich die zweikampfstarken Nordafrikaner angesichts eines Torschluss-Verhältnisses von 3:1 redlich verdient.
Spanien zieht nach der Pause Powerplay auf - aber ohne echte Chancen
Spanien eröffnete Halbzeit zwei im gewohnten Stil: Mit viel Ballbesitz, aber ohne Torgefahr. Marokko wurde im Laufe dieses Abschnitts immer weiter in die eigene Hälfte zurückgedrängt, Offensivaktionen der Regragui-Elf wurden nun seltener. Enrique andererseits erhöhte die Intensität und nutzte die Tiefe seines Kaders, brachte nach einer Stunde Torjäger Alvaro Morata (drei Treffer in der Vorrunde) und Carlos Soler für den glücklosen Asensio und den ausgepumpten Gavi. Spanien zog nun teilweise ein Powerplay auf, kam gegen aufopferungsvoll verteidigende Marokkaner, die in der Vorrunde lediglich ein Gegentor kassierten, aber weiter praktisch zu keinen Abschlussszenen. So blieb das Spiel statisch. Die Marokkaner mussten in der Endphase ihren Abwehrchef ersetzen, der überragende Aguerd musste angeschlagen raus (84.). Der Ausfall schockte seine Mitspieler jedoch nicht, die Augenblicke später beinahe den Lucky Punch setzten: Eine Flanke von Hakimi auf den eingewechselten Sabiri verursachte Alarm im spanischen Strafraum, der Offensivmann bekam aber keinen Druck mehr hinter den Ball (86.). In der Nachspielzeit hielt Bono einen Freistoß von Olmo stark, der zuvor an Freund und Feind vorbei gegangen war (90.+5). So blieb es beim 0:0 - Verlängerung!
Klare Tormöglichkeiten gab es auch in der Extrazeit zunächst nicht. Spanien hatte weiterhin mehr vom Spiel, die Präsenz allein von Morata im Strafraum reichte aber nicht, um Marokkos Abwehr durchzuwirbeln. Zudem blieb Marokko über Konter gefährlich - wenn auch deutlich seltener als noch zu Beginn der Partie. Zwingend war jetzt nur noch Spanien, das mit Ansu Fati und Alex Balde zwei weitere schnelle Außenspieler einwechselte, um die müde Hintermannschaft Marokkos auseinanderzuziehen. Sabiri rettete nach einer Morata-Flanke vor Williams (100.), ehe Marokko dann doch die Riesen-Möglichkeit zur Führung hatte: Simon parierte mit dem Oberschenkel gegen Walid Cheddira, der plötzlich vor Spaniens Schlussmann aufgetaucht war (104.). Spanien im Glück! Nach diesem Stil ging es weiter: Spanien mühte sich, blieb aber bis in die Schlussminuten der Verlängerung zu statisch und ausrechenbar - etwa, als Morata einen seltenen spanischen Konter aus aussichtsreicher Position schlampig ausspielte (117.) oder als Pablo Sarabia aus spitzem Winkel vergab (120.+3) - es war die letzte Chance.
Elfmeterschießen: Spanien von der Rolle
So ging es ins Elfmeterschießen - für Spanien ein unangenehmes Dé·jà-vu: Schon 2018 hatten die Iberer in der Runde der letzten 16 in den Shootout gemusst, damals flog Spanien gegen Gastgeber Russland raus. Marokko legte vor: Sabiri verwandelte sicher zum 1:0, Sarabia traf nur den Pfosten. Ziyech blieb ganz sicher und stellte auf 2:0. Dabei blieb es auch nach dem Elfmeter von Carlos Soler, der an Keeper Bono scheiterte. Ebenso wie Badr Benoun auf der Gegenseite. Doch Bono hielt auch den schwach geschossenen Elfmeter von Sergio Busquets. Spanien vor dem Aus - und der in Spanien geborene Hakimi versetzte den iberischen WM-Hoffnungen den entscheidenden Stoß, als er Simon mit einem Panenka-Elfmeter überwand. Ein Schuss ins Glück.
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