Der eine spielt mittlerweile für Manchester United, ist ein Star im belgischen WM-Kader und hat einen Marktwert von 90 Millionen Euro. Der andere wechselte vor einem Jahr für 66 Millionen Euro von Real Madrid zum FC Chelsea und hat den Sprung in Spaniens WM-Kader knapp verpasst. Was Romelu Lukaku und Alvaro Morata gemeinsam haben: Sie standen zur selben Zeit auf der Einkaufsliste des VfL Wolfsburg. Am Ende kamen beide nicht, sondern: Nicklas Bendtner.
Wenn die dänische Nationalelf heute ihren WM-Auftakt gegen Peru bestreitet, wird eben dieser Bendtner vorm Fernseher sitzen, vielleicht wird er auch angeln, das ist eines seiner Hobbys. Und sein Land wird bedauern, dass es der Stürmer nach einer Muskelverletzung nicht in den Kader geschafft hat, weil Nationalcoach Age Hareide ausdrücklich "nur gesunde Spieler mitnehmen" will. Bendtners Aus war das große Thema in seiner Heimat - in Wolfsburg dagegen hatte er immer wie ein Oberliga-Stürmer gewirkt, den es versehentlich in die Bundesliga verschlagen hatte.
Oh, Lord!
Man kann nicht einmal sagen, dass Wolfsburg sein Karriere-Knick war. Denn als er mit 23 Jahren den FC Arsenal verlassen hatte, war im Grunde schon klar, dass die Weltkarriere, die man ihm als Nachwuchsstürmer prophezeit hatte, ausbleiben wird. Sunderland, Juventus, von 2014 bis 2016 Wolfsburg und danach Nottingham waren schließlich nur noch untaugliche Versuche, der toten Idee vom Hochleistungsstürmer noch einmal Leben einzuhauchen.

Vermutlich weil diese Versuche nicht in seinem Heimatland stattfanden, blieb er dort ein Star - vor allem, weil er mit einer borisbeckerhaften Mischung aus Tapsigkeit und Offenheit sein an Eskapaden reiches Privatleben feilbot. Ihn im dänischen Nationalteam als Heilsbringer zu feiern, wurde mehr und mehr zu einem durch die sozialen Netzwerke befeuerten Ritual, dem die sportliche Substanz nach und nach ausging. Dass es eine dänische Fan-Petition gab, nach der die WM bis zur Gesundung Bendtners verschoben werden sollte, belegt vor allem eines: Seine Popularität, der nicht nur wegen des Spitznamens "Lord" etwas Religiöses anhaftet, hat sich längst von der realen Fußball-Welt entkoppelt. Und dass er nach seinem Abschied aus Wolfsburg gegen Trainer Dieter Hecking nachtrat ("Er war ein außergewöhnlich schlechter Trainer, ohne taktische Fähigkeiten"), zeigt die Entkopplung von Fremd- und Eigenwahrnehmung.


Die offiziellen Trikots für die WM 2018
Dennoch wäre eine WM-Teilnahme nicht unverdient gewesen. Denn für Dänemark machte er immer mal wieder Tore, auch wichtige. Das letzte in den WM-Playoffs gegen Irland. Seine Quote für sein Land (30 Tore in 81 Spielen) ist um Längen besser als in jedem seiner alten Klubs. Für den VfL etwa war er in 31 Pflichtspielen ganze drei Mal erfolgreich. Aber bei Rosenborg Trondheim, wohin es ihn 2017 verschlug, startete er plötzlich wieder durch, traf fast in jedem zweiten Spiel. Womöglich hat er dort, in Norwegen, wo man prima angeln kann, eine Art von Glück gefunden, nach der er zuvor nicht einmal gesucht hatte. „Ich sehe die Dinge klarer", sagte er gegenüber 11Freunde, "sowohl auf dem Feld als auch daneben.“