09. Januar 2020 / 08:30 Uhr

Xaver Schlager: „Ich bin ein Arbeiter, ich bin unangenehm“

Xaver Schlager: „Ich bin ein Arbeiter, ich bin unangenehm“

Alexander Flohr
Hannoversche Allgemeine / Neue Presse
Xaver Schlager will beim VfL Wolfsburg durchstarten.
Top-Neuzugang: Xaver Schlager vom VfL Wolfsburg. © Roland Hermstein
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Am dritten Spieltag hatte sich Xaver Schlager den Knöchel gebrochen, am zwölften Spieltag war er wieder da – und zeigte am Ende der Hinrunde der Fußball-Bundesliga, warum er beim VfL Wolfsburg ein Schlüsselspieler sein kann. Im SPORTBUZZER-Interview spricht der 22-Jährige, der vor der Saison für 12 Millionen Euro Ablöse von RB Salzburg gekommen war, über sein Comeback und seine Karriere.

Herr Schlager, Sie sind einer, der im Spiel mehr macht als viele andere. Ein Trainingslager müsste Ihnen wohl auch kaum etwas ausmachen, oder?
Ich bin kein großer Fan von Trainingslagern. Man muss einen gewissen Zeitplan einhalten – beim Training oder auch beim Essen. Du kommst nicht raus und bist nur im Hotel oder auf dem Platz. Ich bin eher der Typ, der isst, wenn er wirklich Hunger hat. Aber das gehört eben dazu. Man gewöhnt sich daran.

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Achten Sie im Alltag sehr darauf, wie Sie leben?
Fußball bedeutet nicht nur, dass man auf dem Platz steht und spielt. Es gehören noch andere Dinge dazu. Der Körper muss bestmöglich vorbereitet sein. Da gibt es verschiedene Aspekte – körperlich, psychisch. Das kann man zum Beispiel durch die Ernährung verbessern. Es sind viele kleine Details, die eine entscheidende Wirkung haben. Darauf achte ich schon sehr.

Wie haben Sie festgestellt, dass Ihnen so etwas guttut?
Das habe ich mit der Zeit gelernt. Durch Verletzungen habe ich gelernt, in meinen Körper genauer hineinzuhorchen – dass man sich dehnen muss zum Beispiel und Beweglichkeitsübungen machen muss. Über die Jahre habe ich mir ein Gerüst aufgebaut, wie ich arbeiten muss. Ich hatte einige Verletzungen, die aber am Ende positiv für mich waren, weil ich so meinen Körper kennengelernt habe.

Sie blicken also positiv auf Ihre Verletzungen zurück?
Ja, sicher. Auf die Verletzungsphase natürlich nicht – das ist eine der schlimmsten Phasen. Aber am Ende nimmt man mehr mit, wenn man verletzt ist als wenn man durchgehend fit ist. Das ist ja im normalen Leben auch so: Wenn es schlecht läuft, reflektiert man und hinterfragt, was man besser machen kann. Für mich waren die Verletzungen sehr wichtig für meine Entwicklung.

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Was haben Sie aus Ihrem Knöchelbruch in diesem Sommer mitgenommen?
Es war bei dieser Verletzung das erste Mal, dass ich keinen schlechten Tag hatte. Früher gab es immer wieder Tage, an denen es mir schlecht ging. Diesmal hatte ich ein klares Ziel vor Augen – und das wollte ich so schnell wie möglich erreichen. Und ich bin vom Fußball weggekommen. Ich habe andere Sachen ausprobiert. Ich habe versucht, dass meine Psyche positiv bleibt. Aus all dem konnte ich eines besonders lernen: Wenn es einem nicht gut geht, kann man trotzdem positiv bleiben.

Was haben Sie in Ihrer Verletzungspause ausprobiert?
Als ich etwas fitter war, bin ich in Österreich jeden Tag mit dem Motorrad in die Stadt gefahren und habe einen Kaffee getrunken. Ich saß in der Sonne, damals waren es jeden Tag um die 20 Grad, und ich habe das Leben genossen. Das hat mir einfach ein gewisses Lebensgefühl gegeben. Mit Freunden habe ich auch viel geredet. Mir tut es einfach gut, wenn ich draußen bin und in der Sonne sitze.

Kann man sich so den typischen Österreicher vorstellen?
Nein. Der typische Österreicher würde ein Bier trinken (lacht).

Was ist denn typisch für Xaver Schlager?
Ich bin einer, der ziemlich direkt ist. Das ist manchmal gut, manchmal aber auch eher weniger gut. Ich sage, was ich denke. Ich versuche, auf dem Platz immer 100 Prozent zu geben. Ich bin keiner, der aufgibt.

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Sind Sie nach diesem Motto auch erzogen worden?
Ich denke, ich hatte eine Kindheit wie jeder andere. Ich bin relativ einfach aufgewachsen. Wir waren mit der Familie oft im Skiurlaub, der Fokus lag aber seit meiner Kindheit immer auf dem Fußball. Handys hatte es bei uns nicht gegeben. Ich war in der Schule und danach war ich Fußballspielen mit meinen Freunden.

Sie haben eine jüngere Schwester. Welches Verhältnis haben Sie zu ihr?
Wir haben eigentlich nicht so viel zusammen gemacht (schmunzelt). Ich bin schon mit elf Jahren ins Internat gegangen. Durch die Verletzungen ist das aber auch viel besser geworden, ich habe in dieser Zeit auch zwei Monate bei ihr gelebt. Das passt mittlerweile sehr gut. Wir treffen uns regelmäßig zum Kochen.


Wer kann besser kochen?
Sie kann schon besser kochen, aber ich lerne es schnell. Gemeinsam kochen geht aber nicht. Da streiten wir uns nur (lacht).

Was kommt bei Ihnen auf den Teller?
Schon eher Gesundes – die asiatische Küche finde ich toll. Ich koche viel mit Gemüse und Reis.

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Können Sie der österreichischen Küche überhaupt widerstehen?
Einen Schweinsbraten kann ich zum Glück nicht machen. Das kann nur die Oma – und die sehe ich nicht so oft...

...weil Sie sich im Sommer für den VfL entschieden haben. Stand für Sie schon immer fest, Fußballprofi zu werden?
Für mich stand das eigentlich schon immer fest. Ich habe das Ziel immer verfolgt. Meine Eltern waren aber schon sehr darauf bedacht, dass ich meine Schule gut beende.

Gab es für Sie einen Moment, in dem klar war, dass Sie es zum Profi schaffen würden?
Nicht wirklich. Ich fühle mich auch jetzt noch nicht wie ein Profi. Ich stehe nicht auf und sage: „Wow, ich bin Profi, super.“ Ich übe einen ganz normalen Beruf aus, der eben eine gewisse Aufmerksamkeit mit sich bringt. Für mich geht es nicht darum, bekannt zu sein oder viel Geld zu verdienen. Ich will einfach das Maximum aus mir herausholen.

Wie gehen Sie dennoch mit dem öffentlichen Interesse um – vor allem auf dem Spielfeld?
Für mich ist es einfacher, vor vielen Zuschauern zu spielen als vor wenigen. Wenn das Stadion voll ist, dann weißt du, dass du der Coole bist – jeder würde mit dir tauschen. Das gibt eine gewisse Sicherheit.

Verspüren Sie keinen Druck?
Der Druck geht ja nicht von den Fans aus. Vor oder während eines Spiels geht es viel mehr um den Druck, den man sich selbst macht. Es geht darum, dass du in einem Team voller Top-Spieler unbedingt spielen willst. Wenn du einmal schlecht spielst, kannst du schon rausrutschen. Vor den Fans ist das was anderes, da verspüre ich eher Freude.

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Fußball; Bundesliga; Saison 2019/2020; VfL Wolfsburg; Trainingslager; Wintertrainingslager; Portugal; Almancil, Training ©

Wie gehen Sie selbst mit dem Druck um, den Sie sich selbst machen?
Als Kind habe ich darüber nicht so nachgedacht. Mittlerweile aber schon. Immer 110 Prozent zu geben, funktioniert nicht. Irgendwann macht der Kopf schlapp. Wenn du beispielsweise viele Spiele innerhalb kurzer Zeit hast, dann ist das Körperliche gar nicht so das Problem. Du musst geistig frisch sein. Das ist für mich teilweise schwierig. Die Kunst ist, sich mal herauszunehmen und auch mal abzuschalten.

Ihre Vorstellungen vom Leben eines Fußballers sind ziemlich klar. Wie strikt sieht Ihr Karriereplan aus?
Ich habe einen groben Plan im Kopf, wie ich mich entwickeln will. Ob es optimal läuft, ist die andere Frage. Ich will als Spieler besser werden und eine stabile Basis im Leben haben, der Rest ergibt sich dann.

Bisher klappt es ganz gut. Verdanken Sie das Ihrem besonderen Spielstil?
Ich glaube, ich hätte mich als Gegenspieler nicht gerne (lacht). Ich bin ein richtig ekliger Spieler. Ich bin nicht der größte Techniker, sondern eher der Arbeiter. Ich bin unangenehm und versuche, möglichst viel im schnellsten Tempo zu machen.

Ihre Handlungsschnelligkeit fällt auf. Wie trainieren Sie das?
Die Physis ist zunächst einmal besonders wichtig. Wenn du müde bist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du eine falsche Entscheidung triffst. Also schaue ich, dass ich topfit bin. Dazu mache ich Übungen für den Kopf, durch die ich visuell schneller Dinge wahrnehmen kann.

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Schauen Sie sich spielerisch etwas von anderen Profis ab?
Richtige Vorbilder habe ich nicht und hatte ich auch eigentlich nie. Ich war immer ein großer Arsenal-Fan. Damals fand ich Jack Wilshere super – der war aber leider oft verletzt. Es gibt einfach sehr gute Spieler, da schaue ich mir was ab. Von allen Mittelfeldspielern, die besser sind als ich, schaue ich mir gewisse Fähigkeiten ab, um selbst besser zu werden.

Was erwarten Sie von sich selbst in diesem Jahr?
Nichts. Wenn du Erwartungen hast, kannst du eigentlich nur enttäuscht werden. Glücklich wirst du nur, wenn du dir Ziele setzt.

Welche sind das?
Ganz einfach: Ich will mich verbessern.

Sie haben schon mehrfach betont, dass Sie von einem Engagement bei Arsenal träumen. Sehen Sie sich über den Sommer hinaus auch noch in Wolfsburg, wenn der VfL sich nicht noch mal für Europa qualifizieren sollte?
Solche Fragen habe ich mir noch nicht gestellt. Ich bin froh, dass ich wieder fit bin und spielen kann. Jetzt müssen wir unser Spiel entwickeln und Punkte einfahren. Wenn wir ein bisschen was aufholen, dann sieht es sicher nicht schlecht aus.

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