
Hannover 96 drohen wegen Nichteinhaltung der sogenannten 50+1-Regel drastische Strafen durch die DFL. Eine Chronologie der Ereignisse. © Maike Lobback/Dröse

Die 50+1-Regel: Laut Statuten der Deutschen Fußball Liga (DFL) ist es grundsätzlich untersagt, dass Geldgeber jene Kapitalgesellschaften übernehmen, in die Fußballvereine ihre Profimannschaften ausgegliedert haben. Mit der sogenannten 50+1-Regel will die DFL erreichen, dass Klubs die Kontrolle über Investoren behalten. Die Stimmenmehrheit muss demnach beim Stammverein liegen. © imago/Joachim Sielski

August 2017: Antrag auf Ausnahmegenehmigung bei Hannover 96 - Im August 2017 stellte Kind einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel bei der DFL. Eine solche Ausnahme ist laut DFL-Statuten möglich, wenn "ein anderer Rechtsträger" als der Mutterverein "seit mehr als 20 Jahren den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat". © Peter Steffen

Saison 2017/18: Stimmungsboykott im Stadion - Die Folge des Antrags von Martin Kind war ein Stimmungsboykott der "organisierten Fanszene". Auch bei Heimspielen hatten Gästefans im Stadion am Maschsee daher häufig die Anfeuerungs-Hohheit, bei Auswärtsspielen blieb es im 96-Block meist ganz ruhig. "Kind muss weg"-Rufe aus der Nordkurve wurden teilweise mit "Ultras raus"-Rufen beantwortet. Die Atmosphäre war vergiftet. Bis auf eine kurze Unterbrechung im Februar 2018 (nachdem Kind den Ausnahmeantrag auf "ruhend" gestellt hatte) zog der "harte Kern" den Boykott bis zum Saisonende durch. © Peter Steffen

Februar 2018: 96 stellt den 50+1-Ausnahmeantrag auf "ruhend" - Eigentlich war für Anfang Februar 2018 eine Entscheidung der Deutschen Fußball Liga (DFL) über den Antrag von Martin Kind auf eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel bei Hannover 96 erwartet worden. Doch dann kam es zu einer überraschenden Wendung: Martin Kind und Hannover 96 ließen den Antrag vorerst ruhen. "Die Mehrheitsverhältnisse bei Hannover 96 bleiben demnach unverändert", hieß es in einer Pressemitteilung der DFL. Stattdessen strebe sie eine "ergebnisoffene Grundsatzdebatte" innerhalb seiner Gremien an. Diese Diskussion erfolge unabhängig vom weiteren Vorgehen von Hannover 96 und Martin Kind.

April 2018: Bei der Mitgliederversammlung werden Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlastet - Bei der 96-Mitgliederversammlung 2018 gab es eine Überraschung: Der Vorstand wurde nicht entlastet. 548 Mitglieder stimmten gegen eine Entlastung, 543 Mitglieder dafür. Danach wurde über den Aufsichtsrat abgestimmt – der ebenfalls nicht entlastet wurde. 533 Zustimmungen standen insgesamt 554 Ablehnungen gegenüber. Ein Satzungsänderungsantrag, nach dem der Vorstand künftig Entscheidungen der Mitgliederversammlung vertreten sollte, fand nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit: 1120 Stimmen wurden abgegeben, 576 stimmten für den Satzungsänderungsantrag, 544 dagegen. © Peter Steffen

Mai 2018: Antrag auf "aktiv" gestellt - Nachdem die 36 DFL-Vereine Ende März auf Antrag des Zweitligisten FC St. Pauli (mit Geschäftsführer Andreas Rettig, im Bild) für die Beibehaltung der 50+1-Regel und damit gegen eine Öffnung für Investoren gestimmt hatten, nahm Martin Kind seinen Antrag auf Ausnahmegenehmigung im Mai wieder auf. Die DFL bestätigte den schriftlichen Eingang der Reaktivierung am 22. Mai und kündigte an, sich "mit dem Ausnahmeantrag erneut zu befassen". © imago/Kirchner-Media

Juni 2018: Ablehnung von Kinds 50+1-Antrag durch die DFL - Im Juni 2018 lehnte die DFL den Ausnahmeantrag ab. Der entscheidende Knackpunkt: Die DFL sah die Förderung, die die Privatperson Martin Kind in den 20 Jahren an den Spitze von Hannover 96 geleistet hat, nicht als ausreichend "erheblich" an. Heißt im Klartext: Als Richtlinie gilt die jährliche Investition des Hauptsponsors, die der Antragsteller mindestens ebenso aufbringen müsse. "Die von Herrn Martin Kind unstrittig in den letzten 20 Jahren erbrachten Förderleistungen erreichen nach Ansicht des DFL-Präsidiums nicht den erforderlichen Umfang, der eine Ausnahme von der 50+1-Regel gemäß Satzung rechtfertigen würde", heißt es von der DFL dazu. Martin Kind legte Beschwerde gegen die Ablehung ein. Mit einer Entscheidung des Ständigen Schiedsgerichts wird für Anfang 2019 gerechnet. © dpa

Juli 2018: 96-Fans verkünden Ende des Stimmungsboykotts Beim neunten Fanszenetreffen im Chez Heinz stimmten die anwesenden Anhänger fast einstimmig dafür, den Stimmungsboykott zur neuen Saison aufzuheben. Es schien eine weitere Annäherung zwischen Fan-Vertretern und 96 zu sein, zuvor hatte sich 96-Sportdirektor Horst Heldt mit Fans getroffen und ausgetauscht. Gleichzeitig wurde aber betont: Der Protest gegen Kinds 50+1-Pläne wird weitergeführt. © imago/Nordphoto

September 2018: Satzungsänderung bei 96 - Martin Kind strebt mit seinem Ausnahmeantrag für die 50+1- Regel die Mehrheit in der Management GmbH an. Diese Gesellschaft ernennt den Geschäftsführer der Profiabteilung Hannover 96 KGaA und muss laut DFL-Statuten zu 100 Prozent dem Verein gehören. Mit der Satzungsänderung aber hat Hannover 96 die Befugnisse dieses Geschäftsführers derart beschnitten, dass bei jeder Entscheidung von Tragweite wie Transfers, Budgetplanung von mehr als 150 000 Euro und Vertragsverlängerungen der Aufsichtsrat der KGaA zustimmen muss. In diesem Gremium sitzen wiederum acht Mitglieder, sechs von den Investoren ernannt, zwei vom Verein ohne Stimmrecht. Vereinfacht: Gefällt den Investoren die Arbeit des Geschäftsführers nicht, können sie über ihre Vertreter im Aufsichtsrat unmittelbar eingreifen. Der Geschäftsführer kann nicht uneingeschränkt handeln. Aber genau das wiederum schreibt die DFL in ihrer Satzung vor – und ist damit Voraussetzung für die Erteilung der Lizenz. © Swen Pförtner

Oktober 2018: Antrag auf Mitgliederversammlung von ProVerein - Die nächste Mitgliederversammlung bei Hannover 96, bei der unter anderem ein neuer Aufsichtsrat gewählt werden soll, war eigentlich erst für den 23. März 2019 geplant. Doch die oppositionelle IG Pro Verein 1896 legte Hannover 96 1310 Unterschriften vor, um eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu bewirken - 1100 (5 Prozent) waren dafür laut Satzung nötig. Auf der Tagesordnung: Die Abwahl von drei Mitgliedern des Aufsichtsrats, außerdem beinhaltet der Antrag eine Neuwahl der Aufsichtsräte. Ob es zur Neuwahl satzungsgemäß kommen kann, ist aber noch unklar. Das Ziel der Oppositionellen ist klar: Martin Kind im Verein zu entmachten. © IG Pro Verein 1896

November 2018: DFL droht mit drastischem Punktabzug - Hätte sich 96 mit der Satzungsänderung um die Lizenz für die laufende Saison beworben, wäre sie laut DFL verweigert worden, berichtet Sport Bild. Entfällt die Voraussetzung zur Erteilung, sehen die Statuten den Lizenzentzug zum Saisonende vor. Die DFL will aber stattdessen einen Punkteabzug verhängen, der im wohl im zweistelligen Bereich liegen soll. Dazu droht dann im Lizenzierungsverfahren im Frühjahr 2019 für die kommende Saison die Verweigerung der Lizenz für den Profibereich, falls die Satzungsänderung nicht zurückgedreht wird. © Peter Steffen

Im Dezember 2018 bläst Hannover 96 die außerordentliche Mitgliederversammlung ab. Der 96-Vorstand entschied mit den 17 Abteilungsleitern des e.V., die Außerordentliche Mitgliederversammlung nicht stattfinden zu lassen. Ein Rechtsgutachten kam zu dem Schluss, dass "das Begehren auf Durchführung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung nicht statthaft ist". Die IG Pro Verein kündigte umgehend rechtliche Schritte gegen die Entscheidung an und warf 96 einen Verstoß gegen die eigene Satzung vor. © imago/Rust

Anfang Februar 2019: Hannover 96 nimmt nach Absprache mit der DFL die Satzungsänderung zurück. Damit ist ein etwaiger Lizenz- oder Punktabzug vom Tisch. "Die Neuformulierungen der Satzung sind mit den Vorgaben der 50+1-Regel vereinbar oder berühren diese nicht", bestätigt die DFL. © Madsack-Archiv

Im März 2019 wird ein neuer 96-Aufsichtsrat gewählt. Mit Carsten Linke, Jens Boldt, Nathalie Wartmann, Ralf Nestler und Lasse Gutsch gewinnt die "Kind-Opposition". © Maike Lobback

April/Mai 2019: Im Hintergrund laufen Gespräche zwischen Profichef Martin Kind auf der einen und dem Vorstand sowie dem Aufsichtsrat des Vereins auf der anderen Seite um eine einvernehmliche Lösung im 50+1-Streit zu finden. So lange ruht der Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung. © Florian Petrow

Ende Juli 2019: Martin Kind zieht den Antrag auf eine 50+1-Ausnahme zurück. © Florian Petrow
