Gordon Herberts Dreijahresplan: Der Höhepunkt soll erst noch kommen
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Gordon Herbert mit dem WM-Pokal.
© Quelle: IMAGO/camera4+
Während der deutsche Fußball nach dem Sieg gegen Frankreich auf ein wenig Stabilität hofft, begeisterte der WM-Titel der Basketballer zuletzt die ganze Nation. Zwar war das Team spielerisch nicht die beste Mannschaft des Turniers, trat aber mit Leidenschaft, Teamwork und Siegeswillen auf.
An der Seitenlinie hat die DBB-Auswahl zudem einen Trainertypen, den man beim Deutschen Fußball-Bund derzeit verzweifelt sucht. Für den erfahrenen Taktik-Fuchs Gordon Herbert war der Sieg im WM-Finale gegen Serbien der größte Titel seiner Laufbahn. Der nächste Höhepunkt seines Schaffens soll im nächsten Jahr bei den Olympischen Spielen in Paris folgen.
Naturverbundener Familienvater
Der 64-Jährige aus dem kanadischen Penticton ist eigentlich kein Mensch für großen Trubel. Deutlich wird das kurz nach der Schlusssirene beim WM-Finale. Während sich die anderen Helden von Manila jubelnd in den Armen liegen, zieht sich das Mastermind hinter dem Erfolg an eine Stelle nahe des Spielertunnels zurück, sucht bewusst Ruhe. Eine Kamera filmt die Szene, zeigt, wie der frischgebackene Weltmeister mit seinen Tränen ringt und ausgepumpt wirkt.
Er wolle nun vielleicht seine 98-jährige Mutter besuchen und Lachse angeln oder in Finnland mit Axt und Motorsäge in den Wald, erzählt er der Bild. „Ich bin gerne in der Wildnis, bin kein Stadtmensch“ so der dreifache Vater und Ehemann einer Finnin. „Gordie“, der durch die Deutsche Meisterschaft 2004 und den Gewinn des Europe Cups 2016 bei den Frankfurt Skyliners fast Legendenstatus genießt, wirkt nach den harten WM-Wochen erschöpft.
Bronzemedaille als Initialzündung
Der im Auftreten bisweilen zurückhaltend wirkende DBB-Coach setzt sich als Trainer ambitionierte Ziele: Schon bei seinem Amtsantritt 2021 hatte der ehemalige kanadische Nationalspieler verlauten lassen, dass es darum gehe, Medaillen zu gewinnen. „Bei der EM, bei der WM, bei Olympia.“ Bereits ein Jahr später coachte Herbert sein Team tatsächlich zu EM-Bronze, dem ersten Edelmetall nach 17 Jahren. Der Weg dahin war steinig. Deutschland ging als Außenseiter ins Turnier. Mit Maximilian Kleber, Moritz Wagner, Isaac Bonga und Isaiah Hartenstein fehlten bei der EM 2022 vier Spieler mit NBA-Erfahrung, zudem der erfahrene Tibor Pleiß auf der Center-Position.
Trotz aller Widrigkeiten zeigte der studierte Sportpsychologe bereits damals, dass er das Team erreicht. Insbesondere der Sieg gegen den späteren Vize-Europameister Frankreich (76:63) ließ aufhorchen, ehe die DBB-Mannschaft im Halbfinale am späteren Champion Spanien scheiterte (91:96). Mit einem deutlichen Erfolg gegen Polen (82:69) sicherte sich das DBB-Team schließlich den dritten Platz und merkte, dass es zu großen Leistungen fähig ist.
Herbert hat den Superstar im Griff
Kurz vor der diesjährigen WM drohte die Stimmung in der Nationalmannschaft allerdings zu kippen. Dennis Schröder kritisierte im Podcast Got Nexxt öffentlich die Nominierung von Maximilian Kleber von den Dallas Mavericks. Dieser habe aus Schröders Sicht das Team bei der EM im Jahr zuvor im Stich gelassen. „Maxi war letztes Jahr nicht da. Wenn du dich nicht committet hast - das war eigentlich die Message für uns alle -, dann bist du nächstes Jahr auch nicht dabei“, erzählte Schröder. Statt für die Nationalmannschaft aufzulaufen, habe Kleber damals lieber individuell an seinem Basketballspiel gearbeitet. „Sorry, Maxi, aber du hast kein Game!“, richtete sich Schröder direkt an den Würzburger.
Es war nicht der erste Streit, den Schröder vom Zaun brach: Bei der WM 2019 kritisierte der Braunschweiger öffentlich die schlechte Atmosphäre im Team von Henrik Rödl, bei der EM 2015 griff er Trainer Chris Fleming wegen angeblicher taktischer Fehler verbal an. Herbert gelang es allerdings nach einem Gespräch mit Schröder, dass dieser sich bei Kleber entschuldigte. In der Öffentlichkeit blieb es anschließend ruhig.
Welches Standing Herbert in der Mannschaft besitzt, machte sich auf dem Weg zum WM-Titel auch beim Disput zwischen Schröder und Daniel Theis während einer Auszeit bei Rückstand gegen Slowenien deutlich. Nachdem Schröder dadurch die Besprechung störte, stellte Herbert unmissverständlich klar, dass er die Mannschaft trainiert und nicht Schröder. Als der NBA-Spieler der Aufforderung zum Hinsetzen nicht nachkam, wechselte Herbert den Star der Mannschaft kurzerhand aus und brachte das Nachwuchstalent Justus Hollatz für ihn in die Partie.
Wer dachte, nun bröckelt das Verhältnis zwischen Schröder und Herbert, der irrte: Im anschließenden Interview äußerte sich der Point Guard zwar zu seinem Streit mit Theis, kritisierte jedoch mit keiner Silbe seinen Coach. Und Herbert? Der hob das gute Verhältnis zu seinem Spieler hervor. „Wir haben uns gut wieder zusammengefunden. Es ist alles gut“, sagte er im Anschluss bei MagentaSport.
„Dreamteam“ könnte Deutschland herausfordern
Im nächsten Jahr könnte der Bundestrainer seinen Drei-Jahres-Plan erfolgreich abschließen, sofern das DBB-Team eine olympische Medaille erringt. Diese hat, anders als im Fußball, einen höheren Stellenwert als die einer WM. Leichter dürfte das Vorhaben nicht werden: Nachdem die USA das WM-Halbfinale gegen Deutschland (111:113) und das Spiel um den dritten Platz gegen Kanada (118:127) verloren, forderten viele in den Vereinigten Staaten für das Turnier in Paris und Lille die absoluten Topstars.
Unabhängig vom Abschneiden der US-Boys strebt LeBron James wohl eine Teilnahme beim Turnier an. Der 38-Jährige soll laut Berichten von The Athletic bereits mit Superstars wie Stephen Curry, Kevin Durant, Anthony Davis, Jayson Tatum und Draymond Green im Kontakt stehen. Sollten diese Spieler an den Olympischen Spielen teilnehmen, dann wird den USA der Titel kaum zu nehmen sein. Oder gelingt Herbert dann der nächste Coup?
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