Verheerende deutsche Bilanz der Leichtathletik-WM: Malaika Mihambo - sonst nichts
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Im Gegensatz zu Zehnkämpfer Niklas Kaul (l.) konnte Malaika Mihambo ihren WM-Titel verteidigen.
© Quelle: IMAGO/Laci Perenyi/Lehtikuva (Montage)
Als am Schlusstag der Leichtathletik-Weltmeisterschaft doch noch die deutsche Nationalhymne im Hayward Field erklang, schloss Malaika Mihambo ihre Augen. Sie stand wieder dort, wo sie seit 2018 immer nach großen Wettkämpfen gestanden hatte: ganz oben auf dem Siegerpodest. "Ich habe mir klargemacht, was mir dieser Moment bedeutet. Wie ich mich freue, dass ich mich weiterentwickelt habe", meinte die 28-Jährige. Und, ergänzte Mihambo, ihr sei auch bewusst geworden, dass sie über sich hinauswachsen könne.
Es ist beeindruckend, mit welcher Nervenstärke und Konstanz diese Malaika Mihambo von der LG Kurpfalz seit nunmehr vier Jahren regelmäßig bei den Jahreshöhepunkten allen davon springt. Wie sie Drucksituationen standhält, sich fokussiert und dann ihre beste Leistung bringt – genau dann, wenn es darauf ankommt. In Eugene hatte sie nach zwei Sprüngen zwei Fehlversuche, musste im dritten Versuch mindestens bei 6,63 Meter laden, sonst wäre sie ausgeschieden. Es war ein Augenblick, wie ihn viele deutsche Athletinnen und Athleten in den WM-Tagen auch erlebt hatten – und daran gescheitert waren.
Nicht so Mihambo. Sie habe gewusst, dass sie es besser machen könne – und dass sie es besser machen werde. Worte, die inmitten von so viel deutscher Enttäuschung und Ernüchterung so wohltuend anders, weil so erfrischend selbstbewusst klangen. Und denen Taten folgten. Durch einen 6,98-Meter-Satz sprang Mihambo auf Platz zwei. Es folgten im vierten Versuch 7,09 Meter. Diese Weite hatte bereits zur Titelverteidigung gereicht. Doch Mihambo war trotzdem noch nicht zufrieden. Sie wollte mehr, wollte mit Saisonbestleistung Weltmeisterin werden.
Auch das gelang ihr. 7,12 Meter war auf der Anzeige nach ihrem sechsten Sprung zu lesen – drei Zentimeter weiter als im Mai in Birmingham. Mihambo schnappte sich eine deutsche Fahne und machte sich auf die Ehrenrunde. So, wie bereits 2018 bei der Europameisterschaft in Berlin, 2019 bei der WM in Doha und wie im Vorjahr bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio.
Also Ende gut, alles gut? Keineswegs. "Das Gold hübscht die Bilanz ein bisschen auf, aber das grundsätzliche Problem ist damit nicht gelöst", sagte Jürgen Kessing, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), in einer Presserunde mit deutschen Medien. Mit 80 Sportlern war Deutschland in den Nordwesten der USA gereist. Chef-Bundestrainerin Annett Stein hatte im Vorfeld gegenüber dem SPORTBUZZER betont, dass sie "mehr als eine Hand" – also mindestens fünf Finger – brauche, um die deutschen Medaillenchancen aufzuzählen. Die Hoffnung beim DLV war also durchaus groß, die Ausbeute aber letztlich verschwindend gering.
Neben Mihambos Meisterstück gab es nur noch Bronze für die 4x100-Meter-Staffel der Frauen – und somit die schlechteste Bilanz der WM-Geschichte. Deutschland kam im Medaillenspiegel auf Platz 19 – hinter Nationen wie Grenada, der Dominikanischen Republik oder Peru. Allesamt Länder, die weitaus weniger professionelle Strukturen und Trainerpersonal haben und deren finanzielle Unterstützung ebenfalls nicht im Ansatz mit der in Deutschland vergleichbar ist.
"Wir müssen feststellen, dass wir mit dem Ausgang nicht zufrieden sind – und dass wir das so nicht erwartet haben", resümierte Stein. Es fehlte nicht nur an Medaillen, sondern auch an vorderen Platzierungen. Nur sieben mal schafften es DLV-Starter unter die top acht. Dies ist jedoch die Messlatte für die finanzielle Förderung durch das Bundesministerium des Inneren.
Stein betont, dass "40 bis 45 Prozent der Athleten" ihr Leistungsvermögen nicht abrufen konnten. Zwar gibt es mit der Europameisterschaft in drei Wochen in München noch ein Saisonhighlight. Allerdings sind das eben nur die kontinentalen Titelkämpfe – und ohne Superstars aus den USA oder Afrika kein echter Maßstab. Aus deutscher Sicht gibt es auch dort nur eine echte Gold-Kandidatin: Malaika Mihambo.
Sportbuzzer